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Werner's Blog

Stephen Baxter: Das Floß (1994)

Ring aus Schrott und Container um einen Stern

Der Xeelee-Zyklus von Stephen Baxter1. Tja was soll ich darüber viel schreiben?
Ich versuchte selbst bereits des Öfteren darüber detaillierte Reviews im Internet zu finden, doch außer jene immer gleichen, in die Breite getretenen Texte von diversen Buchklappen fand ich leider nicht viel heraus. Als ich einige Titel dieser Reihe vor einigen Jahren las, legte ich die Bücher bereits nach wenigen hundert Seiten adacta, da ich selten so absolut depressive Geschichten über die Zukunft unseres gesamten Universums las wie jene über den fürchterlichen unüberwindbaren Fluch der Photino-Vögel (mehr dazu später). Nun, nach etwas Pause und der nötigen Distanz gebe ich diesem Zyklus eine erneute Chance und starte mit dem ersten Band "Das Floß" von 1994.

Achtung, SPOILER-Warnung! Der folgende Text enthält eine Inhaltsbeschreibung des Buches.

Die Geschichte beginnt für meinen Geschmack etwas verwirrend. Der Leser muss sich erst mit den vorherrschenden extremen Umweltbedingungen und einigen seltsamen Namensgebungen (die Zeitangaben geschehen z.B. in "Arbeits-Schichten", es herrschen Drücke von mehreren Millionen G's, trotzdem können Menschen ohne Schutz überleben, der alles umfassende rote Wolkenhimmel umgibt einen Kern, der Himmel ist überseht von langen, kommentenartig in den Kern stürzenden Sternen uvm.) auseinandersetzen, das funktioniert aber in den ersten fünfzig Seiten doch recht zügig. Das alternative Universum, in dem die wenigen Menschen leben, folgt denselben Gesetzen wie unser eigenes Universum, außer dass es eine Gravitationskonstante hat, die um Größenordnungen größer ist. Der Erzählfluss konzentriert sich schnell auf die eigentliche Erzählung und auf den Hauptcharakter. Wobei ich sagen muss, daß mir die Grundstory recht banal erscheint. In einem lebensfeindlichen Universum existiert eine kleine Menschenenklave in der es zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsschichten Ungerechtigkeiten und Hass gibt, dies führt zu Unruhen, die das Überleben der gesamten Kolonie zu zerstören drohen. Die Technik ist restlos veraltet und führt bei immer geringer werdenden Rohstoffen zu einem langsamen Dahinsiechen.

Der Hauptprotagonist ist ein der untersten Kaste angehörender Arbeiter namens Rees, der in einem heruntergekommenen Ringkonstrukt namens "Gürtel" um eine einige hundert Meter große Sternleiche lebt und auf dieser Metalle abbaut. Die Mannschaft erhält im Austausch für die abgebauten Metalle in regelmäßigen Abständen Lebensmittel, die von einem Konstrukt namens "Floß" gesendet werden. Der Transport geschieht mit großen, rotierenden "Bäumen", die von Piloten mittels spezieller Techniken gelenkt werden. Immer mehr wird dem Leser klar, das es sich bei diesen Menschen um den letzten Rest einer vor Generationen gestrandeten Weltraummission handelt. Rees' Nachforschungen ergeben, das die einstige Mission anscheinend durch ein Artefakt namens Bolders Ring2 hierher kamen.

Aus den Wrackteilen wurden der Gürtel, das Floß und einige wenige weiterer Konstrukte erschaffen. Diese Kleinstinseln treiben seit Jahrhunderten durch die seltsame Nebelwelt, die anscheinend ein Paralleluniversum darstellen soll.

Rees erkennt, das seine Welt im Sterben liegt. Er versucht herauszufinden, woran das liegen mag. Dazu flieht er als blinder Passagier zum Floß, um hier vielleicht das notwendige Wissen dafür zu finden. Es gelingt ihm leider nicht. Als Ausgestoßener darf er zwar ein Studium absolvieren, doch bevor er seine Stellung absichern kann, kommt es zu einem Aufstand der unteren Kasten. Er wird mitsamt den meisten Wissenschaftlern zum Gürtel verbannt. Man erwartet dort deren langsamen Tod durch erbarmungslose Arbeit in den Mienen.

Rees wird von seinesgleichen als Verräter angesehen und mit den schwächlichen Wissenschaftlern in die Mienen zu Doppelschichten verurteilt. Der gewissenlose Aufseher Roch versucht seine "Gefangenen" immer wieder zu zermürben und auch zu töten. Schließlich kann Rees erneut entkommen, diesmal wird er mittels Fluggerät zu einem etwa dreißig Meter im Durchmesser großen "Asteroiden" transportiert, auf dem ebenfalls Menschen leben. Bei diesen handelt es sich um die sagenhaften Boneys. Mit der Zeit erkennt Reese, das der Asteroid aus den Leichenresten und Knochen von ganzen Menschengenerationen besteht, wobei sich in seinem Innersten ein kleines archaisches Fluggerät der ursprünglichen Weltraummission befindet.

Als die Boneys schließlich eine riesige, kugelförmige Kreatur namens "Wal" zu erlegen versuchen, beschließt Rees das Unmögliche, er springt auf den kugelförmigen Körper des Kolosses und flieht erneut. Seine Flucht führt Rees tiefer in den Nebel. Der Wal folgt einem unsichtbaren Pfad hin zu seinen Artgenossen. Sie alle versuchen den ominösen, fernen Kern des Wolkenuniversums zu erreichen, um dessen Kräfte zu nutzen, andere benachbarte Nebel zu besuchen. An dieser Stelle wird die Erzählung, wie bei manch anderen Büchern von Baxter, für mich unglaubhaft. Ja, ich weiß, was diese Aussage über ein Science Fiction Buch bedeutet, aber man sollte doch zumindest einen kleinen Teil der bekannten Realität beibehalten. So aber sieht Rees während seines Wal-Ritts verglühende Sterne und Sternenleichen, die im Abstand von nur wenigen Metern umeinander tanzen, er verbringt dabei die meiste Zeit innerhalb der Kreatur und ernährt sich von deren Haut. Man wird sich jetzt vielleicht denken, "hä, Sterne, die sich in einem Abstand von nur wenigen Metern umkreisen, wie soll das gehen". Nun, das ist eben die Idee dieses Universums mit seiner um ein Vielfaches größeren Gravitationskonstante, konsequent weitergedacht. Wenn sich in einem solchen hypothetischen Universum diese Konstante dementsprechend darstellet, würden die dortigen Sterne nur wenige Meter groß sein und trotzdem mit entsprechenden Fusionsreaktionen in deren Inneren funktionieren. Diese Sterne wären sehr kurzlebig. Eine sehr gute Erklärung für solche hypothetischen Ideen gibt Prof. Dr. Ganteför in einem seiner YouTube-Videos (https://youtu.be/iIYAmCJttB0?t=1939, 22.11.2022).

Nun ja, diese Passage ist nicht so meines. Rees versucht telepathisch zu dem Wal Kontakt aufzunehmen, damit ihn dieser zurück zu den Menschen bringen kann. Dies funktioniert auch und so kommt er gerade recht, um den inzwischen ausgebrochenen Krieg zwischen dem Floß und dem Gürtel zu beenden. Er überzeugt die Menschen, dass der Nebel stirbt und dass sie den fliehenden Walen und der restlichen Fauna zu einem benachbarten Nebel folgen sollen. Die Physik des alternativen Universums hat den Nebel langsam in eine zunehmend feindliche Umgebung verwandelt und die Menschen leiden zusammen mit den bizarren einheimischen Arten unter den Auswirkungen des Zusammenbruchs der Umwelt. Er schlägt vor, für die Reise das ursprüngliche, Jahrhunderte alte Raumschiff zu nehmen und den Kern des Nebels, der ein Schwarzes Loch darstellt, für ein Swing-by-Manöver zu verwenden. Dies ist natürlich mit großen Risiken behaftet, doch ein Teil der Menschheit schafft es und gelangt in den rettenden Nachbarnebel. Während der Reise kann die Crew wissenschaftliche Beobachtungen des Kerns durchführen, sie erfährt zudem, das nicht nur die Wale sondern praktisch das gesamte Leben aus dem sterbenden Nebel flüchtet. Als das Raumschiff sich am nächsten zum Zentrum des Schwarzen Lochs bewegt, erkennen die Wissenschaftler, das auch der Kern selbst belebt ist, es scheint dort eine ganze Zivilisation unvorstellbarer Wesenheiten zu existieren. Hier kommt es noch zu überaus fantasievollen Beschreibungen.

Im sicheren Nachbarnebel angekommen, erkennen die Überlebenden, dass das Schicksal der Menschheit in diesem Universum nie mehr an einem solchen seidenen Faden hängen dürfe. Sie beschließen, sich in Zukunft an die vorherrschenden Gegebenheiten - auch körperlich, also auch evolutionär - anzupassen. Das Buch endet mit der Begegnung einer menschenähnlichen Kreatur, anscheinend sind die Flüchtlinge doch nicht die einzigen Ihrer Rasse in diesem Universum.

Fliegende Bäume im All des Paralleluniversums
Fliegende Bäume im All des Paralleluniversums (Darstellung nach eigenen Vorstellungen)

Allgemeine Informationen über den Autor Stephen Baxter:
Physik und Mathematik gehören zu den großen Leidenschaften von Stephen Baxter. Er kam am 13. November 1957 in Liverpool zur Welt und entwickelte sich zu einem Jungen, der den Dingen gern auf den Grund geht. Er begann damit, sich mit physikalischen Vorgängen auseinanderzusetzen und suchte Erklärungen für alle Mögliche. Nach seinem Schulabschluss studierte er schließlich Mathematik in Cambridge. An der Southampton University wurde er zum Ingenieur. Physik, Mathematik und Informatik bildeten fortan seinen Lebensinhalt. Er unterrichtete diese Fächer bis er sich 1995 dazu entschloss, hauptberuflich als Autor durchzustarten. Quelle: https://www.buecherserien.de/stephen-baxter/ (06.11.2022)

Bolders Ring ist eine hochentwickelte Xeelee-Struktur und zählt zu einer ihrer größten Errungenschaften. Der Ring hat einen Durchmesser von 10 Millionen Lichtjahren (100-mal so groß wie die Milchstraße) und besteht aus kosmischem Superstrings. Die Xeelee konstruierten ihn im Laufe von Milliarden von Jahren, in denen sie die Masse von Tausenden von Galaxien in die Supersaite des Rings umwandelten. Der Ring dreht sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit, was zusammen mit seiner Masse die Entstehung einer nackten Singularität in seinem Zentrum verursacht. Die enorme Masse des Rings wirkt der Expansion des Universums lokal entgegen. Die Menschheit des 21. Jahrhunderts war sich der durch den Ring erzeugten Gravitationsanomalie bewusst und nannte sie den Großen Attraktor. Bei der Entdeckung des Rings selbst nahm die Menschheit fälschlicherweise an, dass es sich um eine Waffe handelt, während es sich stattdessen um ein Portal handelt, das verwendet wird, um dem Universum zu entkommen.

Xeelee, Stephen Baxter, Heyne